Gerade die Unübersichtlichkeit und die Geschwindigkeit der Ereignisse seit Sommer 2015 haben aufzeigt, wie wichtig und hilfreich ein gemeinsames Vorgehen bzw. eine Koordination der unterschiedlichen Aktivitäten in der Hilfe für Geflüchtete sein kann. Grundsätzlich gelten bei der Hilfe für Geflüchtete ähnliche Erfolgsbedingungen wie bei anderen Netzwerken auch:
- Ziel, Zweck und Inhalte der Vernetzung und Koordination klären
- Beteiligung aller relevanten Akteure, vor allem auch Selbstvertretung der „Betroffenen“ , wie sie bereits in sogenannten Heimräten in einigen Unterkünften praktiziert wird
- Berücksichtigung der unterschiedlichen Handlungslogiken und vor allem der Stärken der Akteure
- Offenheit und Transparenz der Abläufe und Informationsmanagement
- Gestaltungs- und Einbringungsmöglichkeiten
- Aushandlung eines Entscheidungs- und Vertretungsverfahrens
Die Netzwerkverfasstheit bzw. die Koordination muss den lokalen Rahmenbedingungen entsprechen und vor allem die Kompetenzen, Ressourcen und Potenziale der Akteure berücksichtigen. Freiwilligenagenturen können und sollten sich auf jeden Fall in den Netzwerken und Arbeitskreisen zur lokalen Flüchtlingshilfe beteiligen. Das ist schon alleine wichtig, um als kompetenter Partner sichtbar zu sein. Zur Informationsbeschaffung ist es unumgänglich. Außerdem sollten Agenturen zumindest ihre Basiskompetenzen (Informieren, Beraten, Vermitteln) einbringen. Der Grad der Beteiligung bis hin zur Gesamtkoordination hängt wiederum von den Kompetenzen und Ressourcen der Freiwilligenagentur ab.
Aufgaben von Freiwilligenagenturen
Wichtige Aufgaben, die Freiwilligenagenturen dabei übernehmen können, sind z.B.
- laufende Bedarfsermittlung ehrenamtlicher Unterstützung von Asylunterkünften, Trägern, Initiativen, Organisationen etc.
- Beratung und Unterstützung von Organisationen/Initiativen beim Freiwilligenmanagement, Projektmanagement & Fundraising
- Aufbau ehrenamtlicher Helferkreise
- Unterstützung und ggf. Initiierung ehrenamtlicher Projekte von/mit und für Geflüchteten innerhalb des Netzwerks
- Informationssicherung – und weitergabe im Netzwerk
- Koordination und Vernetzung bestehender ehrenamtlicher Flüchtlingshilfen
- Kooperation mit Angeboten/Projekten anderer Organisationen zur Umsetzung von Unterstützungsmaßnahmen
- Recherche und Gewinnung neuer Partner sowie Vermittlung zwischen Partnern
- Öffentlichkeitsarbeit für das Netzwerk
Mögliche Kooperationspartner
Kooperationspartner innerhalb eines Netzwerks können z.B. sein
- die Kommune
- in der Flüchtlingshilfe aktive Organisation
- Träger und Koordinatoren der Gemeinschaftsunterkünfte
- Migrationsberatungsstellen
- Migrantenselbstorganisationen
- Religiöse Gemeinschaften
- Agentur für Arbeit
- Unternehmen
- Hochschulen
Welche besonderen Formate und unterschiedliche Ideen hinsichtlich der Koordinierung und Vernetzung des Engagements für Geflüchtete entwickelt werden können, zeigen Praxisbeispiele und Empfehlungen der Freiwilligenagenturen in Cottbus, Halle, Landshut und Kiel.
Foto: Timo Jaster
Beispiele
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Freiwilligenagentur Cottbus
Koordinierungsstelle Engagement von Freiwilligen in der Flüchtlingshilfe

Projektrahmen
- Zeitraum: Oktober 2015 – Dezember 2016 (30 h/Woche)
- Finanzierung: Fachbereich Soziales der Stadt Cottbus
- Träger: Paritätischer Landesverband Brandenburg, Einrichtung Freiwilligenagentur Cottbus
Welche besonderen Formate oder Ideen sind entwickelt worden?
- Tätigkeitsbeschreibungen
- Arbeit an einer Netzwerkkarte von Akteuren in der Flüchtlingshilfe – einsehbar im GeoPortal der Stadt Cottbus
- Start und Bewerbung der Online – Plattform HelpTo für Flüchtlinge und Helfer
- Broschüre zum Ehrenamt in Cottbus
- Vernetzung ehrenamtlicher Sprachmittler/innen
- Sprechcafé – Begegnungsraum und Ort für Übung der Sprachpraxis Geflüchteter mit Muttersprachler/innen
Zu empfehlen
- Klärung eigener Rolle, Ziele, Aktionsspielräume
- Sorgfältige Auswahl von Kooperationspartnern
- Regelmäßige Präsenz in Arbeitsgremien, Ausschüssen, Bürgerfesten und durch eigene Veranstaltungen
Nicht zu empfehlen
- Instrumentalisierung durch andere Akteure vermeiden (oft von Seiten der Stadtverwaltung oder überforderter Kooperationspartner)
nettekieler Ehrenamtsbüro
Koordinierung des Engagements für und mit Geflüchtete(n)

Projektrahmen
Die Koordinierung des Engagements für und mit Geflüchtete(n) setzt sich in Kiel aus drei Projekten zusammen
1.) Koordinierungsstelle zur Integrationsorientierten Aufnahme von Flüchtlingen
- Zeitraum: Januar 2016 – Sommer 2018
- Finanzierung: Innenministerium des Landes Schleswig-Holstein
2.) Service- und Beratungsstelle für Ehrenamt in der Flüchtlingshilfe
- Zeitraum: Januar 2017 – Ende 2019
- Finanzierung: Sozialministerium des Landes Schleswig-Holstein
3.) Netzwerk für ehrenamtliche Initiativen in der Flüchtlingshilfe
- Zeitraum: November 2014 – Ende offen
- nicht gesondert finanziert
Welche besonderen Formate oder Ideen sind entwickelt worden?
- Entwicklung einer Integrationslandkarte für Schleswig-Holstein
- Quartalsweiser Erfahrungsaustausch aller in der Stadt Kiel aktiven ehrenamtlichen Flüchtlingshilfen
- Austauschtreffen aller hauptamtlichen Kieler Ehrenamtskoordinator/innen
Zu empfehlen
- Ständige Klärung eigener Rolle, Ziele, Aktionsspielräume, Partner, Informationsfluss
- Sorgfältige Auswahl von Kooperationspartner/innen
- Regelmäßige Präsenz in Arbeitsgremien, Ausschüssen, Bürgerfesten und durch eigene Veranstaltungen
Nicht zu empfehlen
- Konkurrenzdruck der in der Flüchtlingshilfe aktiven hauptamtlichen Akteure untereinander muss unbedingt vermieden werden
- Die Wahrnehmung der Freiwilligenagentur als Konkurrenz
- Instrumentalisierung durch andere Akteure vermeiden
- Überbelastung durch zunehmende Aufgaben vermeiden
Freiwilligen Agentur Landshut "fala"
Koordinierungsstelle für ehrenamtliche Flüchtlingshilfe in Landshut

Projektrahmen
- Zeitraum: September 2014 (mit 12 h/Woche), seit Januar 2016 in Vollzeit – bis Dezember 2016
- Finanzierung: jeweils hälftig durch Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration sowie durch die Stadt Landshut
- Träger: Freiwilligenagentur Landshut
Welche besonderen Formate oder Ideen sind entwickelt worden?
- Flüchtlingshilfe-Projekte: Fahrradwerkstatt, Jobteam, Kulturbüro, Handarbeitswerkstatt, Mobilitätsteam, PC-Kurse
- Eigene Räume für Kurse und Sprechstunden in einer Gemeinschaftsunterkunft
- Deutsch-Sprechstunde für ehrenamtliche Deutschlehrer/innen (monatlich)
- Asylhelfer/innen -Treff (monatlich)
- Gründung und Begleitung eines Asyl-Helferkreises
- Online-Angebot: Umfangreiche Tipps und Informationen für Partner, Freiwillige und Interessierte auf der Homepage
- Rundbrief für freiwillige Flüchtlingshelfer/innen
- Handbuch für Integrationshelfer/innen (in Vorbereitung)
Zu empfehlen
- Regelmäßige, strukturierte Vernetzungstreffen mit möglichst vielen Akteuren im Zuständigkeitsbereich, z.B. Runder Tisch Flüchtlingshilfe
- Eigenes Profil schärfen
- Angebote/Einsatzmöglichkeiten schaffen mit klarer Aufgabenbeschreibung/Zielausrichtung
- Kooperation zur Bündelung von Ressourcen statt Doppelung von Angeboten
Nicht zu empfehlen
- Einseitige Vereinnahmung (z.B. durch Verwaltung, Beratungsstellen, aber auch für politische Aktivitäten)
- Helferkreise in Trägerschaft der Koordinierungsstelle zu schaffen, da eine eigenständige Struktur mehr Freiraum und eine größere Eigendynamik ermöglicht
FreiwilligenAgentur Halle-Saalkreis e.V.
Koordinierungsstelle Engagiert für Flüchtlinge

Projektrahmen
- Laufzeit: Mai 2015 – April 2018
- Finanzierung: Ev. Kirchenkreis, Stadt Halle (Saale)
Welche besonderen Formate oder Ideen sind entwickelt worden?
- WELCOME Treff als offener Ort für Geflüchtete und Engagierte. Täglich kommen ca. 50 – 60 Geflüchtete und nehmen an Sprach-, Kreativ- und Kulturangeboten teil. Immer öfter engagieren sich Geflüchtete auch selbst im WELCOME Treff, z.B. im Rahmen eines BFD, als Anleiter eines Arabisch-Kurses u.v.m.
- Online-Helfer-Registrierung
- Broschüre „Engagiert für Flüchtlinge“ mit ausführlichen Engagementangeboten
- Lokale Webseite willkommen-in-halle.de mit umfangreichen Informationen zu Engagementangeboten, Fortbildungen, Spendeninformationen, Material- und Linksammlung und Veranstaltungstipps
- Bundesfreiwilligendienst in der Flüchtlingshilfe mit aktuell 27 Freiwilligen, davon 19 mit Migrationshintergrund in Gemeinschaftsunterkünften, Begegnungszentren, Kirchengemeinden, Initiativen, Sportvereinen, Hort und Grundschule
Zu empfehlen
- Akzeptanz als Mittlerorganisation
- Gute Vernetzung vor Ort
- Drehscheibe für viele Anfragen und Angebote
- Erfahrungen in Kooperation und Vernetzung
- Entwicklung eines Netzwerks von Multiplikatoren
- Rollenklärung mit Kooperationspartner/innen und Kommune (wer macht was und hat welche Kompetenzen/Zugang zu Ressourcen)
- Offene Begegnungsorte für Engagierte und Geflüchtete
- Flexibilität, Begeisterung, Freude an Gelingendem
- Ressourcen; technische Möglichkeiten
- Breites Infoangebot : Webseiten, Social Media, Mailing
- Vom Engagement für Flüchtlinge zur Strategie inklusiver Engagementförderung
Nicht zu empfehlen
- Ressourcenfragen, Rollen- und Aufgabenklärung in den Mittelpunkt des Handelns zu stellen
- andere Engagementbereiche, Zielgruppen und Aufgabenbereiche zu vernachlässigen
- Aktionismus und Projektitis aufgrund zusätzlicher Ressourcen im Integrationsbereich
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